Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


Einführung Kunsthandel A–Z

Moderne Galerie Thannhauser, München/Berlin

Der Galerist und Kunstsammler Justin Thannhauser war der Sohn des deutsch-jüdischen Kunsthändlers Heinrich Thannhauser, bei dem die erste Ausstellung des Blauen Reiter (1911) stattgefunden hatte und der ein früher Förderer Pablo Picassos war. Nach Lehrjahren in der väterlichen Galerie leitete Justin Thannhauser diese ab 1921. Die in Luzern eröffnete Dependance firmierte ab 1928 als Galerie Rosengart unter der Leitung von Justins Cousin Siegfried Rosengart. 1927 kam eine Thannhauser-Galerie in Berlin dazu, die ab 1928 als Hauptsitz fungierte. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten gehörte die Familie Thannhauser zu den führenden Kunsthändlern Deutschlands. Sie unterhielt zahlreiche Geschäfts- und Freundschaftsbeziehungen, etwa zu Paul Cassirer, Alfred Flechtheim und Daniel-Henry Kahnweiler.

1937 emigrierte Justin Thannhauser von Berlin nach Paris, wohin er seit 1934 Teile seines Kunstbesitzes verlagert hatte; in Berlin zurückgelassene Bestände wurden später beschlagnahmt. In dieser Zeit schickte er auch große Teile seines eigenen Besitzes sowie Kommissionsware auf internationale Ausstellungen. Teile seiner Sammlung und der Galeriebestände wurden in die USA und nach Südamerika ausgelagert. In Paris führte Justin Thannhauser bis 1939 eine Galerie, deren Bestand während der deutschen Besatzung durch die Wehrmacht ebenfalls beschlagnahmt wurde. Thannhauser flüchtete 1940 mit einem kleinen Teil seiner Sammlung über die Schweiz nach New York, wo er wiederum als privater Kunsthändler erfolgreich tätig war.

Im April 1945 verkaufte Thannhauser zahlreiche Werke in einer Auktion in der Parke-Bernet Gallery in New York. 1963 stiftete er seine private Sammlung und die seines Vaters, die hauptsächlich aus impressionistischen Werken bestand, dem New Yorker Guggenheim-Museum. 1971 übersiedelte Justin Thannhauser nach Bern.

Die Gemälde „Mann mit Puppe“ von Oskar Kokoschka und „Tête de femme“ von Pablo Picasso weisen eine Thannhauser-Provenienz auf.

Quellen

Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels, Köln: Geschäftsunterlagen Justin Thannhauser/Siegfried Rosengart, Bestand 1919–1971 (digitalisiert)

Mario-Andreas von Lüttichau, Die Moderne Galerie Heinrich Thannhauser in München, in: Henrike Junge (Hrsg.), Avantgarde und Publikum. Zur Rezeption avantgardistischer Kunst in Deutschland 1905–1933, Köln 1992, S. 299–306

Matthew Drutt, The Thannhauser Collection of the Guggenheim Museum, New York 2001

Zeitraum / Adresse / Firmierung

  • 1904/05 Gründung: Kunsthandlung Brakl und Thannhauser
  • 1904/05 bis 1909 Goethestraße 64, München
  • 1909 Umbenennung: Moderne Galerie Thannhauser
  • 1909 bis 1928 Theatinerstraße 7, München
  • 1928 bis 1932 Bellevuestraße 13, Berlin
  • 1932/33 Viktoriastraße 1, Berlin
  • 1933 bis 1937 Bellevuestraße 10, Berlin
  • 1937 bis 1939 Rue Miromesnil, Paris/Frankreich
  • 1940 bis 1946 62nd Street, New York/USA
  • 1946 bis 1971 [?] 12 East 67th Street, New York
  • 1919 Gründung: Zweigstelle Luzern
  • 1927 Gründung: Zweigstelle Berlin (später Hauptsitz)
  • 1927/28 Bellevuestraße 13, Berlin

Personen

  • Heinrich Thannhauser (1859–1934) Gründer und Leiter von 1904/05 bis 1921
  • Justin Thannhauser (1892–1976) Leiter von 1921 bis 1971

Schwerpunkte

französischer Impressionismus, Münchner Sezession, Blauer Reiter